Mein Herz schlägt schnell. Im Dateimanager greife ich auf die CD in meinem Laufwerk zu und doppelklicke vor Aufregung die .exe, erst danach die readme.txt-Datei. Bei gecrackten Spielen nicht immer die beste Reihenfolge. Aber alles funktioniert. Als CS 1.3 startet, explodiere ich fast vor Aufregung. Das Jahr ist 2007 und ich bin gerade 15 geworden. Bei einem Freund hatte ich gesehen, wie er Enemy Territory spielte. Nach einem Test des Spiels drückte er mir allerdings eine gebrannte CD mit einem anderen Spiel in die Hand: „Probier das mal, ich glaub, das wird dir gefallen“. Eine das Resultat bei weitem unterschreitende Aussage; Vom ersten Moment an bin ich völlig fasziniert: Jeden Tag spiele ich, so wie es sich einrichten lässt, wenigstens 30 Mintuen heimlich cs_assult gegen Bots. Wenn ich die Fußschritte meiner Eltern auf dem Flur vernehme, rast mein Finger zu F9 – das Spiel schließt sich, mein durch und durch angepasstes Winamp [mp3-Abspielprogramm] ist geöffnet. Von links greife ich irgendeine Hausaufgabe, während ich die Musik starte und meine Tastatur Richtung Bildschirm schiebe. Von Woche zu Woche werde ich bei CS besser, stelle die Bot-Schwierigkeit hoch, spiele gegen noch einen Bot mehr. Repeat, bis ich Geburtstag habe.
Das ist was Ernstes
Meine erste Handlung als 16-jähriger ist, mir einen Steam-Account mit CS:S zu kaufen – über Ebay…weil ich Angst vor der Reaktion meiner Eltern habe, obwohl das Spiel ab 16 ist und ich es legal spielen darf. Im Rückblick natürlich eine dumme Entscheidung. Egal. Meine zweite Handlung ist, mir einen Clan zu suchen. Ich kann ja nun im Internet spielen – und ich spiele äußert ungern allein. Wer mich etwas kennt weiß, welch Liebeszeugnis in dieser Erzählung des knapp einjährigen “Singleplayer vs. Bots”-Marathons enthalten ist. Noch in der ersten Woche habe ich mein erstes Probetraining. Nach dem ersten Training beschwert sich ein Spieler „Der Neue hat doch [Cheats] an, als ob er so gut ist, wenn er gerade das erste Mal CS:S zockt!“ Für mich ein Ritterschlag sondergleichen und ich weiß: dieses Spiel wird mich so schnell nicht los. Von 2008 bis 2011 sammle ich etwa 3000 Stunden Spielzeit. Ein festes Team und etwas Training habe ich nur zu Beginn meiner „Karriere“. Mein Kumpel Sobi und ich nisten uns ohne Training von Mitte bis Ende der genannten Phase in der Elo „high-“ [höchste Kategorie, unteres Ende] ein. Da ich aufgrund einer bereits angeteaserten dummen Entscheidung keine Chance habe, meinen gehackten Account zurückzubekommen, kann ich nur die letzten 1250 Spielstunden einsehen: 58% Winrate & 1,5 K/D [Kill/Death-Ratio = 1,5 mal mehr Abschüsse als Tode]. Nice. Aber nicht das Wichtigste. Weitaus wichtiger: In diesen drei Jahren finde ich in der Gamingszene eine Familie und baue ich mir ein Zuhause – Teile beider Dinge tragen bis heute!
Der Routine zum Trotz
Das Leben geht weiter, meine Priorität verschiebt sich, für CS ist nicht mehr so viel Zeit. Dennoch wird gezockt, wann es möglich ist. 2012 erscheint CS:GO. Im Herbst 2012 überlege ich, es doch in Richtung Profi zu versuchen. Ich erzähle einer Person von meinem Traum – sie hat kein Verständnis dafür und rät mir ab, sodass ich schweren Herzens anderweitig überlege, was ich mit meinem Leben machen kann. Trotzdem lässt mich CS nicht los. Immer mal wieder spiele ich mit den alten Jungs, aber jetzt schaue ich auch hin und wieder Pro-Matches. Das zieht sich bis heute durch – nur dass ich seit etwas über einem Jahr endlich mal wieder ein mittlerweile festes Team habe, mit dem ich versuche, wenigstens einmal die Woche 2-3 Matches zu machen. Während ich per in-game-Rank 2018 noch mit dieser Anzahl an Spielen und einem festen Kernteam von 4 Leuten in den Top 2% der Spielenden war, bin ich nun immerhin noch in den Top 34%. Ich komme seit 2012 aber nur auf lächerliche 1600 Stunden CS:GO-Spielzeit. Meine Statistik dazu kann ich nur bedingt einsehen, deshalb lediglich aus diesem Jahr per Leetify [bis Anfang August 2023] (Rank 10/18) GN4: 61% Winrate & 1,18 K/D.
Für immer und ewig?
Wenn ich mal spiele, dann will ich mich auf das Team fokussieren, mein Wissen weitergeben und ein guter Mitspieler sein. Das gelingt mir mal mehr und mal weniger. Auch wenn ich selbst nicht mehr so gut bin, wie ich es mal war, merke ich immer wieder, dass mich dieselbe Leidenschaft begleitet, die mich damals in der ersten Stunde dieser Reise erfasst hat.
Mittlerweile bin ich 31 Jahre alt und spiele somit schon über die Hälfte meines Lebens dieses Spiel. Das wird sich auch nicht ändern, wenn innerhalb der nächsten 6 Wochen CS:GO nach 11 Jahren Dienstzeit nun durch eine neue, modernisierte, technisch angepasste Version ersetzt wird: Mit CS2 beginnt ein neues Kapitel. Es werden wieder neue Spielende dazukommen. Der E-Sport wird weiter wachsen und meine Liebe für diesen Sport wird weiter mein Herz höher schlagen lassen, wie es von Beginn an der Fall war. Gaming ist so geil und CS ein wahres Juwel. Der beste E-Sport-Titel der Welt [was ist für die der beste E-Sport-Titel –> Kommentar!] geht in sein nächstes Kapitel und wir dürfen entdecken, was dieses Kapitel bereit hält.
Es gibt CS nun seit 23 Jahren – und ich freue mich auf die nächsten 23!