Müde und zerknirscht rolle ich mich aus dem Bett. Das wollte ich eigentlich nicht, aber irgendwie halt auch schon. In meinem Kopf entstand zuletzt auf die Schnelle eine Pro-/Kontraliste, die mich zum Aufstehen bewegte. Meine Uhr zeigt 09:45. Es ist Sonntagmorgen. Wasserlassen. In die Kirche schaffe ich es nicht mehr rechtzeitig, denn mein 8:30 Uhr Wecker hatte im Halbschlaf den Kampf gegen die wohlig warme Gemütlichkeit meines extrem bequemen Bettes verloren. Ich ziehe mir eine Sporthose und einen flauschigen Pulli an. “Ich sollte heute Sport machen, auf jeden Fall, weil ich die letzten Tage nicht dazu gekommen bin. Außerdem müsste ich noch…”. Ich bringe den Gedanken nicht zuende. Stattdessen stehe ich mitten in meiner Wohnung und bereue, aufgestanden zu sein.

Durchatmen, fokussieren

Mein eigentliches Vorhaben ist es, den Sabbat zu heiligen. Das klingt richtig unsexy und zu ungenau. Ich versuche es nochmal anders: Mein Kopf war zu dem Schluss gekommen, dass mein eigenes Wesen sich danach sehnt, einen Tag in der Woche einfach nur Pause zu haben, positive Pause. Wie genau das gehen soll, versuche ich herauszufinden. Im Buch „The Ruthless Elimination of Hurry“ gibt Autor Comer so einige Gedanken dazu weiter, an denen ich mich zunächst orientieren will:

Der Sabbat, die positive Pause, die vitalisierende Auszeit (kurz: SPA) „ist eine einmal wöchentlich stattfindende Feier all dessen, was in Gottes Welt gut ist“.

In Gottes Spa gibt es allerlei Angebote, die mein Herz „auf die dankbare Anerkennung der Realität und Güte Gottes ausrichten“. Welche Angebote es konkret gibt, kann sich von Person zu Person unterscheiden. Die Faustformel, um ein Wellnessangebot zu erkennen, lautet: Führt die Aktivität in Ruhe und Anbetung?

Ruhe und Anbetung sind hierbei natürlich wiederum recht dehnbare Begriffe. Es geht auf jeden Fall um ein bewusstes Leben, bzw. darum, bewusst leben zu üben.

Ein solcher Tag bedarf deshalb ggf. der Vorbereitung, er lädt zur Reflexion ein und lässt Raum für Spontanität, er kann sowohl aktive als auch passive Elemente beinhalten und er kann sowohl laute als auch leise Zeiten haben. Wichtig ist, dass ich mich durch den Tagesablauf bewusst darauf ausrichte, die guten Dinge in Gottes Welt zu feiern. Dieser göttlich verordnete Wellnesstag soll mir als Mensch dabei helfen, „ein erholsames, dankbares Leben voller Leichtigkeit, Wertschätzung, Staunen und Anbetung“ zu führen, bzw. zu lernen.

Babysteps

Ich stehe völlig am Anfang, diesen Teil meines Lebens einzuüben. Manchmal ist es leichter, etwas zu ändern, wenn man sich dafür sensibel macht, was denn verändert werden soll. Meine Red Flags sind Stress und Fremdbestimmung.

  • Stress ist generell nicht so gut, aber am Spa-Day definitiv komplett fehl am Platz.
  • Fremdbestimmung bemerke ich durch ein „Muss“-Gefühl oder ein „Mist“-Gefühl. Die ganze Woche über schenke ich so viel Aufmerksamkeit allen möglichen Dingen, die jemand anderes festgelegt hat oder die das (Über-)Leben „verlangt“, aber am Spa-Day gehört die Aufmerksamkeit allein den Dingen, die ich als wertvoll erachte, auf die ich wirklich Lust habe und die mir wirklich gut tun.

Jetzt sitze ich hier und dieser Text ist „fertig“. Darüber freue ich mich. Ich lehne mich dankbar in meinem Stuhl zurück und starre durch das Fenster ein paar Minuten in den sanften Regen, der sich vor dem Hintergrund eines nebligen, bewaldeten Berges unnachgiebig aufs Land ergießt. Was ein Moment!

Die Kraft des Genusses 

Würde ich an dieser Stelle den Text beenden, wäre es zwar ein romantischer Schlusssatz, aber unvollständig in seiner Wirkung, da seine Bedeutsamkeit wie „geschenkt“ wirkt. Dieser Moment ist aber ebenso bewusst herbeigeführt, wie er ein absolutes Gnadengeschenk ist: Mehrfach war mir abverlangt, bewusst mein Handy beiseite zu legen, weil meine Gewohnheit es unterbewusst nahm. Mehrfach war mir abverlangt, mich bewusst daran zu erinnern, dass die Sortierung meiner Gedanken zwar immer anstrengend, aber auch immer nachhaltig schön für mich ist und sich deshalb das Aushalten des Prozesses lohnt.

Mittlerweile ist es kurz nach 12. Dieser kleine Text hat mich über 2 Stunden gekostet. Aber ich bereue es nicht. Schreiben, Output zu haben, ist für mich ein wichtiger Teil meines Lebens, der häufig viel zu kurz kommt. Man könnte also auch sagen, dass ich gerade 2 Stunden meines Tages sehr gut investiert habe. Mittlerweile bin ich völlig in Ruhe und Entspannung angekommen.

Ich hetze nicht.

Ich atme tief und lange.

Ich bereue nicht mehr, aufgestanden zu sein.

Wahrscheinlich mache ich gleich Sport.
Ich freue mich so richtig darauf, dass mir noch zwei Mahlzeiten bevorstehen.
Nach dem Mittagessen will ich gerne ein kleines Nickerchen machen.
Nachher läuft das Counter Strike Finale der IEM Cologne, das würde ich gerne sehen.
Ich habe Lust mit tollen Menschen zu telefonieren und möchte gerne etwas lesen.
Am frühen Abend würde ich gerne eine Predigt hören – vllt reicht auch Musik.

Ich gähne genüsslich und grinse: Klingt doch durchaus nach einem ganzen Tag voller Ruhe und Anbetung, es gibt genügend Gutes, das ich heute feiern kann… Dazu gehört dann auch die wohlig warme Gemütlichkeit meines extrem bequemen Bettes, in die ich mich heute Abend wieder begeben darf.

Danke Jesus!

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