Was ist der höchste Wert meiner Woche?

„Erst die Arbeit, dann bist du müde.“

Kai Mauritz

Gerade komme ich aus einer zweimonatigen Projektphase. Vorher, im April, habe ich ein dreiwöchiges Experiment gemacht, bei dem ich mindestens 20% meiner Arbeitszeit als Selbstleitung deklarierte. Ich würde ja, so die Begründung für meine innere Erlaubniseinholung, ohnehin in der Projektphase Überstunden machen, mit denen ich die Zeit nachträglich auffüllen könnte, sollte sich das Experiment als Zeitverschwendung herausstellen. Also setze ich mich in besagten Zeiten kurz hin, achtete 30-120 Sekunden auf meinen Atem und fragte dann in meinen Geist: Was brauchst du gerade wirklich, was würde dir nachhaltig guttun? Anschließend tat ich, was als Antwort kam: schlafen, lesen, einen Film schauen, eine Runde zocken, eine Person kontaktieren, spazieren gehen, Worship machen, beten, mich sportlich betätigen, …

Am Ende des Experimentes war ich sprachlos: ich hatte in 3 Wochen mit Teils nur der halben Arbeitszeit etwa so viel geschafft, wie in den 2 Monaten vorher zusammen. Bei der Reflexion des Erlebten fiel mir in den letzten Wochen auf, was wahrscheinlich der Grund für dieses Erlebnis sein könnte: ich war ruhig, nicht gestresst, ausgeruht, fokussiert, konzentriert; es war leichter als gewöhnlich, eine Priorität zu setzen, es ging schneller als gewöhnlich, eine Aufgabe zu bearbeiten, es war mehr Zeit als gewöhnlich da, für alles. Ich konnte für Leute da sein, musste nichts irgendwo hereinzwingen. Es war, als sei ich in ein großes Becken voller Klarheit gehüpft: Ich war völlig im Frieden geerdet – durch und durch mit mir selbst und Gott verbunden.

Klar, mein aktueller Lebensentwurf gibt mir Möglichkeiten, die andere Menschen vielleicht nicht haben. Ich bleibe aber bei dem, was ich die letzten Jahre immer wieder geschrieben habe und auch jetzt noch behaupte: jede Person hat 24 Stunden am Tag, wir sortieren nur unterschiedlich gut, womit wir sie füllen. Wahrscheinlich ist das, womit wir im Idealfall unsere Zeit verbringen wollen würden, von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Aber gerade in der Differenz zwischen Wunschvorstellung und Lebensrealität wird die Qualität der eigenen Entscheidungen deutlich. Natürlich ist es leicht, sowas zu sagen; viel schwerer hingegen, darauf beruhend etwas zu ändern. Besonders großartig ist es dann, wenn eine andere Person diese Gedanken formuliert und ich selbst mich plötzlich mit meiner eigenen Inkonsistenz konfrontiert sehe. Eben dies geschah durch das leidenschaftliche, humorvolle und wirklich leicht zu lesende Plädoyer von John Mark Comer im Buch „The Ruthless Elimination of Hurry“.

„[…] the solution to an overbusy life is not more time. It’s to slow down and simplify our lives around what really matters.“

John Mark Comer
Priorität (lt. prior ‚der Vordere‘) = der Vorrang einer Sache

In meinem Fall wurde mir durch das Buch nochmal mehr als deutlich, dass ich vor meinem Burnout zwar meine Woche extrem auf meinen höchsten Wert ausgerichtet hatte, dass meine Wahl des höchsten Wertes dafür aber auch extrem miserabel war: In meinen gesamten 20ern ging ich den Weg der Leistungssteigerung – konsequent wie ich bin – bis zum Ende, zu einem Ort, an dem ich Stress für ein Erfolgsgefühl hielt und zudem in meiner Gewohnheit des Beschäftigt-Seins jegliche Warnsignale ignorierte, physisch wie psychisch. Als ich mich zuletzt also erneut fragte, was der höchste Wert meiner Woche sei und wie ich entsprechend leben könnte, ergab sich beim Lesen des besagten Buches ein unbeschreiblich schöner Tanz meiner Gedanken mit den Gedanken Comers. Aus ihnen könnte bald tatsächlich ein Reigen aus Ruhe und Schönheit entsteht – mit ein wenig Übung, versteht sich, durch die bewusste Konzentration auf die essentiellen Bewegungsabläufe bis sie einen natürlichen Ablauf meines Bewegungsapparates darstellen. Gerade jetzt, am Ende meiner Projektphase, wo es so einfach ist, der alten Gewohnheit des Stresses zu folgen, steht es wie an die Wand geschrieben da – aus meinem Experiment soll ein Lifestyle werden:

Ich will völlig im Frieden geerdet, durch und durch mit mir selbst und Gott verbunden sein.

“Attention is the beginning of devotion.”

John Mark Comer

Was ist der höchste Wert deiner Woche?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert