Welchen Sinn hat das Leben?

Diese Frage verstehe ich in zweierlei Hinsicht.
1. Theoretisch: Was meine ich eigentlich mit Sinn?
2. Praktisch: Wie lautet die Antwort auf diese Frage?

Was meine ich eigentlich mit Sinn?

In unserem Sprachgebrauch vereinen wir gerne Sinn und Zweck. Ich bin jedoch der Meinung, dass sich diese zwei Wörter leicht unterscheiden. Wenn eine Schere nicht mehr schneidet, dann hat sie noch immer einen Sinn.

Sinn verleiht Bedeutung und prägt Identität. Der Schere wurde ein Sinn gegeben – er macht sie zu dem was sie ist. Sie ist ein Schneidewerkzeug (merke: Identitätsaussage). Diesem Sinn kann sie sich nicht entsagen. Wenn sie stumpf ist, spielt das für ihren Sinn keine Rolle. Lediglich ihrem Zweck kann sie nun nicht mehr nachkommen.

Zweck ist Ausdruck des Sinns und macht ihn erkenntlich. Eine stumpfe Schere hat also noch einen Sinn (Identität=Schneidewerkzeug), kommt ihrem Zweck aber nicht nach, weil sie ihrem Sinn nicht mehr Ausdruck verleihen kann.

Wenn ich den Sinn der Schere nicht kenne, ist sie für mich ein sinnloser Gegenstand. Zumindest bis ich ihr einen neuen Sinn zuweise, bspw. Flaschen öffnen. Dann sage ich „Du bist ein Flaschenöffner“ und nun kann, selbst die stumpfe Schere, wieder einem Zweck nachkommen. Da der echte Sinn aber unbekannt ist, kommt die Flaschenöffner-Schere ihrem echten Zweck nicht nach, sodass sie in ihre Handlung tatsächlich zweckentfremdet ist.

Wie lautet die Antwort auf diese Frage?

Sinn, wie ich ihn am Beispiel der Schere beschrieben habe, ist ein Sinn von außen; er wird gegeben. Es ist leicht, Gegenständen von außen einen Sinn zu geben. Doch mit unserer persönlichen Suche nach dem Sinn des Lebens funktioniert das nicht so leicht. „Der Sinn des Lebens ist leben.“, so beschreibt es Casper in einem seiner Songs. Es klingt so einfach und doch reicht es uns meist nicht. Wir gehen weiter auf die Suche nach der tieferen Bedeutung unseres Lebens.

Wenn Sinn gegeben wird, ist die Frage: von wem? Da Sinn unsere Identität prägt, muss sie also zu Beginn unserer Existenz gegeben werden. Dazu sehe ich zwei Möglichkeiten:

Zwei grobe Möglichkeiten

a. Es gibt keine schöpferische Entität: 

dann kann es keinen echten Sinn von außen geben, weil alles Zufall ist. Gibt es keinen Sinn von außen, dann möchte ich einfach nur noch Spaß haben. In dem Fall beziehen wir Sinn von den Dingen, denen wir persönlich Sinn zuschreiben. Einfach nur ein lebendes Wesen (als Sinn von außen) zu sein, erfüllt uns halt nicht. Was uns erfüllt, ist dieses Existieren so angenehm wie möglich zu gestalten. Wir beziehen unsere Identität aus unseren Bedürfnissen, die wir zu erfüllen versuchen. Aus unserem Versuch uns selbst zu verwirklichen – nach Maslow, das höchste Bedürfnis. Erfüllte Bedürfnisse drücken sich in Freude aus, denn erfolgreiche Handlungen lassen unser Gehirn Endorphine ausschütten. Da Spaß nichts weiter als die Erfüllung von Bedürfnissen ist, heißt das allerdings, dass alles, auch der Sinn von innen, relativ ist, da er, so wie er für mich ist, eben nur für mich existiert.

Die zufällige Anordnung von Materie zu meinem Körper bringt etwas wie Persönlichkeit mit und deshalb gestaltet sich das Spaßhaben für verschiedene Menschen unterschiedlich. Weil uns der Sinn von außen, also einfach nur richtungslos zu leben, nicht reicht, schreiben wir einzelnen Aspekten des Lebens einen primären Sinn zu. Den Sinn von innen, der unserem Leben Richtung geben soll. Unsere Identität ist weiterhin von außen geprägt, auf diesem Sinn von innen basierend: Wenn beispielsweise „Arbeit“ der Sinnaspekt des Lebens ist, dann wird die Identität durch Arbeit festgelegt. Eine Identitätsaussage könnte somit lauten: „Ich bin Entrepreneur.“ Das wiederum bedeutet aber auch, dass der Sinn von innen nichts weiter als eine Zeitbewältigungsstrategie ist: wir versuchen uns so von unserer Unzufriedenheit mit dem äußeren Sinn abzulenken.

Die eigentliche Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens lautet in diesem Fall praktisch: Existieren.
Casper hat dann recht. Mich persönlich lässt das aber sehr unbefriedigt zurück, auch wenn ich jetzt natürlich noch auf moralische Implikationen eingehen könnte, bspw. dass ich mich wohl dafür einsetzen sollte, dass dort, wo Leben ist oder entsteht, ein Recht auf Existenz durchgesetzt wird. Ist aber auch nicht ganz naheliegend, weil ja alles Zufall ist und außerhalb meiner Existenz absolut gar nichts Sinn hat. Mein Zweck ist vielleicht, mich selbst zu erhalten. Da mein Anfang, der mir Sinn verleiht, aber nichts sagen kann, ist eben alles reine Spekulation.

Die Widersprüchlichkeit dieser Option

Anfang ist hier ein gutes Stichwort. Die Annahme, dass es keine schöpferische Entität gibt, führt zu dem Problem, sich selbst zu widersprechen. Da wir wissenschaftlich davon ausgehen, dass alles Materielle einen Anfang hat, muss es eine schöpferische Entität geben. Selbst wenn ich stehenlassen kann, dass „aus dem Nichts ist etwas entstanden“ eine wahre Aussage ist, die gleichzeitig mit „Nichts“ eben doch irgendwelche Gravitationswellen im Vakuum oder eine krass heftige Ansammlung von Masse-Energie meint, ist es nur fair anzuerkennen, dass es eben doch eine schöpferische Entität gibt – nämlich dieses Etwas, ähm, ich meine Nichts. Hier wird deutlich, dass die eigentliche Frage nicht ist „Gibt es ultimative Realität?“, sondern „Welche Realität ist ultimativ?“

Die Folge ist die Verwirrung in der so viele von uns zu stecken scheinen: In uns scheint etwas nach dem Absoluten zu rufen, aber wir können die Antwort nicht aus der Welt ableiten, die aus diesem unpersönlichen, schlicht materiellen Etwas-Nichts entstanden ist. Gleichzeitig ist die Welt dabei das Einzige, was wir haben, um Antworten abzuleiten. Da jetzt alles reine Spekulation ist, schließt dieses „Alles“ nun aber auch ethische Fragen ein, sodass es wirklich nur um Selbsterhaltung oder Willkür eines jeden Menschen gehen kann. Aber warum haben in diesem Zufall mit den einzig ableitbaren Punkten „Selbsterhaltung“ und „Willkür“ alle Kulturen der Weltgeschichte dieselbe Basismoral (im Minimum gegenüber ihren Liebsten)?

Mir scheint, dass es vielen Menschen wie der Schere geht, die jemand findet, der noch nie eine Schere gesehen hat: Der echte Sinn ist nicht erkannt und alles Handeln, das nicht durch Zufall im Sinne des Entstehungsgedankens ist, fühlt sich bei genauem Hinsehen leer an, weil es schlicht zweckentfremdet ist.

Naja, das alles gilt jedenfalls nur, wenn wenn ich eben akzeptiere, dass das „Etwas“, das ich als Welt bezeichne, aus einem materiellen, nicht personellen „Nichts“ kommt; in meiner Weltsicht muss jetzt alles erklärbar sein und es darf keinen einzigen logischen Fehler oder Widerspruch geben, da alles abgeleitet ist. Im Notfall erfüllt mit Blick auf Informationswidersprüche Selbstbetrug den Zweck der Aufrechterhaltung meiner geistigen Gesundheit im Sinne der Selbsterhaltung. Wenn mir dies als inakzeptabel einleuchtet, gelange ich notwendigerweise zu Punkt b.

b. Es gibt eine schöpferische Entität:

dann gibt es einen Sinn von außen. Wenn ich das Produkt eines Willensaktes bin, dann hat mir jemand Bedeutung zugesprochen. Hier sehe ich drei Möglichkeiten:

i. Kack-Beziehung

Im ersten Fall liegt meine Bedeutung darin, jemanden glücklich zu machen. Ich bedeute jemandem etwas, solange ich tue, wofür ich da bin. Der Sinn ist Zweckerfüllung, durch klare hierarchische Beziehung gegeben, und mein Sein ist dem Belieben dieser schöpferischen Entität ausgeliefert: „Mach, wofür du da bist, oder du kommst weg. Und du kommst auch weg, wenn ich dich zu lange hatte, wenn sich meine Interessen ändern, oder wenn an dir etwas kaputtgeht.“ Ich bin in dem Sinne ein Spielzeug, zur Belustigung geschaffen. Dann hätte ich das Problem, nur das Spielzeug einer schöpferischen Entität zu sein, die mich als Gimmick gemacht hat – für Zeiten, in denen ihr mal langweilig ist. Alle Dinge, die mir passieren, sind das Spiel dieser Schöpferischen Entität mit mir. In dem Fall habe ich also entweder Pech oder Glück oder beides, je nach Lebenssituation.

ii. Keine Beziehung

Der zweite Fall zeichnet sich dadurch aus, dass es gar keine Beziehung gibt – weder die liebende noch die verlangende. In diesem Fall mag es Sinn und Zweck geben, von außen, aber dieser ist egal; also wortwörtlich, weil mir die schöpferische Entität mit ihrer Abwesenheit sagt, dass ich egal bin (Indentitätsaussage). Ich bin wie ein Bild, dass die Tochter eines Bekannten malt und beklebt: sie gestaltet jeden Tag bis zu 40 Bilder. Er stapelst sie auf einem kleinen Schrank, bis der Stapel von selbst umfällt. Was runterfällt sammelt er, und es bildet einen neuen Stapel – der alte Stapel wird entsorgt. Muss man nicht gut finden. Aber die Metapher passt: Die Schöpferin macht viele von uns, einfach weil sie Bock drauf hat, aber das Ergebnis ist nicht wichtig – wir sind egal. Die Konsequenz ist ein Leben als gäbe es keine schöpferische Entität, weil ihre Existenz unbedeutend für mich ist, sodass ich dem Punkt „a. Es gibt keine schöpferische Entität“ entsprechend das Problem der reinen Spekulation habe.

iii. Liebende Beziehung

Im dritten Fall liegt meine Bedeutung darin, geliebt zu sein. Der Sinn steht hier erstmal getrennt vom Zweck. Ich kann tun und lassen was ich will – bedingungslos. Es gibt keine Hierarchie. Es ist der reinste Ausdruck der Liebe, hingestellt zu werden, in einen Raum voller Möglichkeiten und Ungewissheit, in der alle Verantwortung bei mir liegt und das Einzige, was die schöpferische Entität mir zuspricht ist: „Du bist, weil ich dich liebe. Ich bin gespannt was du damit anfängst – und ich wäre gerne dabei, wenn ich darf.“ Ich muss nichts tun. Absolut nichts. Und deshalb ist der Sinn auch vom Zweck getrennt. Mein Sinn und die gesamte Bedeutung meines Lebens sind in meinem Sein erfüllt. Einfach, weil Liebe bedingungslos und selbstlos ist.

Der Sinn des Lebens ist demnach geliebt Sein. In meiner Freiheit (sie ist Bedingung, um aus Liebe einen Geliebten zu erschaffen) darf ich mich entscheiden, wie ich will. 

Aber bei diesem dritten Fall ist etwas anders, als es zuvor war. Zum ersten Mal habe ich die Möglichkeit, mehr über mein Sein zu erfahren. Die schöpferische Entität sagt, dass sie gern dabei wäre – weil das nunmal der Liebe entspricht. Es ist möglich, tiefe Erfüllung zu erleben – mehr als bisher einfach nur glücklich zu leben:

Ich kann in Gemeinschaft mit meiner Schöpferin allem Druck entsagen, der von Gesellschaft oder meinem eigenen Versuch, glücklich zu sein, auf mir liegt. Ich kann, weil Liebe kommuniziert, entdecken welche Identitätssätze zu mir gehören. Sie kennt mich, weil sie mich gemacht hat. Sie kennt meine Fähigkeiten und meine Vorlieben. Sie hat mir meine tiefsten Lebensträume gegeben. Diese Gemeinschaft zu suchen, also ihr Angebot anzunehmen, ist die einzig logische Folge, wenn ich Freiheit und den Sinn von außen behalten will.

Um meiner Freiheit zu entsagen, müsste ich Liebe aufgeben. Wenn ich in meiner Freiheit das Geliebt-Sein aufgebe, muss ich plötzlich wieder etwas für Liebe tun, was mich abhängig macht und mich somit meiner Freiheit beraubt. … Zumindest ist das so, wenn es diese liebende schöpferische Entität gibt. Wenn dem so ist, Sinn und Zweck getrennt sind und der Sinn bereits geklärt ist, dann bleibt die Frage nach dem Zweck.

Auch hier ist etwas anders als bisher; zum ersten Mal geht es nicht mehr nur um mich. Mit einer schöpferischen Entität, die mir ermöglicht, dass ich geliebt Bin, möchte ich gerne Gemeinschaft haben. Das bedeutet nichts weiter, als die Liebe und das Geliebt-Sein anzunehmen und sie zurückzulieben, denn ich liebe ja, dass ich Freiheit und Sinn von außen bekommen habe. Da Liebe selbstlos ist, frage ich nun also auch, was ich ihr Gutes tun kann.

Sinn und Zweck

Diese Frage beantwortet sich aus den Identitätssätzen, die mir gegeben sind. Erinnerung: Zweck ist Ausdruck des Sinns und macht ihn erkenntlich.
Der generelle Sinn ist es, geliebt zu sein – mein Zweck erfüllt sich also darin, mich lieben zu lassen. So, wie ich mich von der schöpferischen Entität lieben lasse und im Umkehrschluss sie liebe, kann ich auch beschließen meinen Mitmenschen und mir selbst in Liebe zu begegnen, weil sie auch als Zweck haben, sich lieben zu lassen – das steht im Gegensatz zu dem bloßen Existieren aller anderen Optionen, denn nun wird Interaktion logisch angeregt und Moral ist das erste Mal implizit statt Willkür.

Zusätzlich gibt es aber auch individuelle Identitätssätze, meinen Fähigkeiten, Vorlieben und Träumen entsprechend. Mein Zweck erfüllt sich, wenn ich diese Identitätssätze annehme und entsprechend lebe. Obwohl sie sich von Geschöpf zu Geschöpf unterscheiden mögen, haben sie alle eins Gemeinsam: Sie dienen dazu – über wie viele Ecken auch immer, dass Liebe zur Schöpferin, anderen Geschöpfen und sich selbst gefördert wird.

Andere Meinung

Sehr gut – bitte teile sie mit mir!

Mit diesen Ausführungen möchte ich nämlich nicht behaupten, dass meine Gedanken perfekt sind. Es ist schlicht die grobe Darstellung eines Gedankenganges, der zeigt, warum es logischer ist, nach einer schöpferische Entität der Liebe zu suchen, als an irgendwas anderes zu glauben.

Also lass uns diskutieren…

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